Stammgemeinschaft, Softwarehersteller, Arztpraxis - die erfolgreiche EPD-Integration als Gemeinschaftsprojekt

Aus der Praxis

Viele Akteure arbeiten daran, dass das EPD wortwörtlich in der Praxis ankommt. Am nachfolgenden Beispiel aus der Westschweiz zeigt sich, wie effektiv das EPD genutzt werden kann, wenn sich die verschiedenen Akteure des Gesundheitswesens abstimmen und gegenseitig unterstützen.

Ein Integrations-Kit für die reibungslose EPD-Anbindung

Ein wichtiges Puzzleteil für den erfolgreichen und nachhaltigen Einsatz des EPD ist die Anbindung ans Primärsystem des jeweiligen Gesundheitsdienstleisters. Die Stammgemeinschaft CARA hat zu diesem Zweck ein Integrations-Kit entwickelt. Für Jean-Christophe Bessaud, verantwortlich für Informationssysteme bei CARA, ist das Kit eine entscheidende Unterstützung bei der Integration des EPD in die Primärsysteme.

  • «Das Kit erlaubt es den Entwicklern, sich auf das Nutzererlebnis zu konzentrieren – und nicht auf die technischen Stolpersteine.»

    Jean-Christophe Bessaud

    Verantwortlich für Informationssysteme bei CARA

Das Paket umfasst die technische Dokumentation, ein Analyse-Tool für die Schnittstellenkommunikation sowie Supportleistungen. Das senkt den Aufwand – und erhöht die Bereitschaft zur Integration.

Schnittstellen als zentraler Erfolgsfaktor

Das auf medizinische Anwendungen spezialisierte Softwareunternehmen PulseUp ist einer der Anbieter von Primärsystemen, die sich das Angebot von CARA zunutze gemacht haben, und bindet die EPD-Funktionalität heute nahtlos in seine Praxissoftware PulseMedica  ein.

Unternehmensgründer Benjamin Roynette sieht das EPD als Schlüsselelement für den digitalen Informationsaustausch. PulseUp bietet die Option zur EPD-Anbindung im Rahmen des Pakets „Dokumentenverwaltung“ deshalb sogar kostenlos an, um die Eintrittshürde für Praxen zu senken. Deren Bedarf, Informationen systematisch mit den Patientinnen und Patienten sowie mit anderen Gesundheitsfachpersonen auszutauschen, sei deutlich spürbar, so Roynette – auch wenn viele Praxen noch zögerten und ihre Prozesse nur schrittweise digitalisierten.

  • «Das EPD ist aus unserer Sicht ein entscheidender Puzzlestein im digitalen Austausch – genau wie die elektronische Signatur oder das E-Rezept. Unsere Kunden schätzen es, dass das EPD in ihre gewohnten Prozesse integriert ist. Das macht den Unterschied.»

    Benjamin Roynette

    PulseUp-Gründer

Herr Roynette, knapp 2600 Gesundheitsfachpersonen arbeiten täglich mit der Software-Anwendung PulseMedica. Welche Bedeutung messen Sie dem EPD bei?

Wir stellen fest, dass das EPD heute noch nicht flächendeckend genutzt wird. Viele Arztpraxen setzen nach wie vor auf Papier und digitalisieren ihre Prozesse nur schrittweise. Gleichzeitig spüren wir einen zunehmenden Bedarf, Informationen systematisch mit den Patientinnen und Patienten sowie mit anderen Gesundheitsfachpersonen auszutauschen. Das EPD ist aus unserer Sicht ein entscheidender Puzzlestein in diesem Prozess, genau wie die elektronische Signatur oder das E-Rezept. 

Welche Erfahrungen haben Sie bisher mit der EPD-Anbindung gesammelt?

Es ist kein Geheimnis, dass da und dort noch eine gewisse Skepsis bzgl. des EPD herrscht. Umso mehr sind wir überzeugt, dass wir nur mit einer aktiven Nutzung die nötigen Erfahrungen sammeln können, um die Bedürfnisse der Gesundheitsorganisationen und der Patienten optimal abzuholen. Unsere Kunden schätzen dabei insbesondere die Möglichkeit, dass das EPD in ihre gewohnten Prozesse integriert ist und genutzt werden kann. Das leistet sicher einen wesentlichen Beitrag zum wachsenden Interesse am EPD.

Mit welchem Aufwand ist die EPD-Anbindung für Gesundheitsfachpersonen verbunden?

Der zeitliche Aufwand für die Implementierung unseres Tools PulseMedica hängt stark von der Grösse und Komplexität der jeweiligen Organisation ab. Die EPD-Anbindung ist eine Option innerhalb des Pakets «Dokumentenverwaltung». Sie lässt sich relativ einfach bewerkstelligen und wird von uns zurzeit kostenlos angeboten, damit sich möglichst viele Gesundheitsfachpersonen ein Bild der Vorteile des EPD machen können.

Was sind aus Ihrer Perspektive die grössten Herausforderungen bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens?

Kurz zusammengefasst sind es die Interoperabilität und der Austausch zwischen Gesundheitsfachpersonen. Ersterem begegnen wir mit der Anwendung internationaler medizinischer Standards wie zum Beispiel , der auch beim EPD zum Einsatz kommt. Auch bezüglich des mangelnden Austauschs liefert das EPD vielversprechende Antworten. Für dessen Erfolg ist es unseres Erachtens aber entscheidend, dass das EPD nicht nur als Dokumentensammlung, sondern auch als Austauschplattform für Gesundheitsfachpersonen im Sinne der Patientinnen und Patienten verstanden wird.

Spürbarer Nutzen im Praxisalltag

Ein entscheidender Erfolgsfaktor für das EPD ist seine Akzeptanz aufseiten der Anwenderinnen und Anwender, namentlich der Gesundheitsfachpersonen. Unisanté ist ein universitäres Zentrum für Allgemeinmedizin und öffentliche Gesundheit, das eine Vielzahl von klinischen Dienstleistungen für verschiedene Bevölkerungsgruppen anbietet. Die Einrichtung in Lausanne zeigt, wie das EPD in der Grundversorgung sinnvoll genutzt werden kann – wenn es vollständig integriert ist.

Auch wenn die Nutzung derzeit limitiert ist, weil bislang erst ein kleiner Teil der Patientinnen und Patienten über ein EPD verfügt, liegen die Vorteile einer tiefen Integration ins Klinik- bzw. Praxisinformationssystem für Chantal Grandchamp und Nicolas Grasset von Unisanté auf der Hand.

  • «Gesundheitsfachpersonen können in ihrer gewohnten Umgebung arbeiten und nahtlos mit dem EPD interagieren. Das sorgt für Effizienz und Sicherheit.»

    Chantal Grandchamp

    Direktionsassistentin, Unisanté

Entsprechend ist es aus Sicht von Unisanté klar, dass von einer breiten Nutzung des EPD im Endeffekt alle profitieren.

  • «Insbesondere bei Patientinnen und Patienten, die mehrere Gesundheitsdienstleister in Anspruch nehmen müssen, ermöglicht der orts- und zeitunabhängige Zugriff auf die Krankengeschichte eine optimale Versorgung.»

    Nicolas Grasset

    Arzt, Unisanté

Doch das Potenzial bleibt ungenutzt, wenn nicht mehr Akteure – sowohl auf Patient:innen- als auch auf Anbieterseite – mitmachen. 

Was noch fehlt? Perspektiven für die Softwarehersteller

Unisanté sieht eine zentrale Herausforderung: Die Integration des EPD ins Primärsystem erfordert einen erheblichen Entwicklungsaufwand. Und solange unklar ist, wie die künftige EPD-Landschaft aussieht, fehlt Softwareherstellern der Anreiz zu investieren.

Die laufende Revision des Bundesgesetzes zum EPD (EPDG), die auf eine zentrale technische Infrastruktur abzielt, verspricht in diesem Bereich mehr Klarheit. Aus Sicht von Unisanté müssen drei zentrale Voraussetzungen erfüllt sein, damit das EPD danach den Durchbruch schafft:

  • Der Zugang und die Nutzung müssen einfach und effizient sein.
  • Der Import und Export von Dokumenten ins bzw. aus dem EPD muss möglichst automatisiert erfolgen.
  • Es braucht ein gut strukturiertes Ablagesystem und eine effiziente Suchfunktion, damit die relevanten Dokumente schnell gefunden werden können.

Warum hat Unisanté beschlossen, das EPD umfassend zu integrieren?

Wir haben uns aus zwei Hauptgründen dafür entschieden, das EPD vollständig in unser neues Informationssystem zu integrieren:

  1. Das EPD ist ein Instrument, das den Austausch medizinischer Informationen erleichtern soll. Dank der tiefen Integration des EPD in unsere Praxissoftware können Gesundheitsfachpersonen in ihrer gewohnten Umgebung arbeiten und während der Konsultation nahtlos mit dem EPD der Patientin oder des Patienten interagieren.
  2. Die umfassende Integration sorgt für mehr Sicherheit, da manuelle Eingriffe zwischen verschiedenen IT-Systemen entfallen.  

Wurde die tiefe Integration in allen Abteilungen umgesetzt und wird das EPD heute bei Unisanté täglich verwendet?

Derzeit wird das EPD im Rahmen der klinischen Aktivitäten der Grundversorgung für die allgemeine Bevölkerung eingesetzt. Das EPD kann daher täglich in unserer allgemeinen Poliklinik, iin unserer Permanence im Lausanner Flon-Quartier, im Gesundheitszentrum Blécherette sowie in unserem Impfzentrum verwendet werden. Leider verfügen bislang nur wenige unserer Patientinnen und Patienten über ein EPD, deshalb ist die Nutzung noch begrenzt. 

Inwiefern erleichtert das EPD die interdisziplinäre Arbeit? Ist es ein Instrument, mit dem sich der Informationsfluss im Gesundheitswesen innerhalb Ihrer Einrichtung verbessern lässt? 

Interdisziplinäre Arbeit erfordert vor allem eine angemessene Kommunikation zwischen den verschiedenen Disziplinen, was an sich schon eine Herausforderung darstellt. Das EPD ist lediglich das «Vehikel», über das Gesundheitsfachpersonen Informationen austauschen können. Es enthält derzeit hauptsächlich PDF-Dokumente und muss noch weiterentwickelt werden, um ein Instrument zur Erleichterung der Interdisziplinarität zu werden. Dies insbesondere über die Integration neuer spezifischer Austauschformate, die derzeit entwickelt werden. Die von CARA durchgeführten Projekte zum gemeinsamen Pflegeplan oder gemeinsamen Medikationsplan gehen in diese Richtung.  

Der Informationsfluss innerhalb unserer Einrichtung wird vor allem durch die Verwendung einer digitalen Patientenakte für alle klinischen Aktivitäten erleichtert. Das EPD ist demgegenüber nützlich, um der Patientin bzw. dem Patienten relevante medizinische Dokumente zur Verfügung zu stellen und sie mit anderen Gesundheitsfachpersonen zu teilen.

Und welche Vorteile hat das für Ihre Patienten?

Die Zusammenführung aller medizinischen und gesundheitsbezogenen Unterlagen an einem einzigen sicheren Ort ist sehr nützlich, wenn Patientinnen und Patienten mehrere Gesundheitsdienstleister in Anspruch nehmen müssen. Der orts- und zeitunabhängige Zugriff auf die Krankengeschichte ermöglicht in diesen Fällen eine optimale Versorgung. Damit dies jedoch flächendeckend möglich ist, müssen einerseits alle Gesundheitsfachpersonen ans EPD angeschlossen sein, andererseits müssen die Patientinnen und Patienten darauf achten, dass die im Rahmen einer Behandlung erstellten Unterlagen im EPD gespeichert werden. 

Was müsste Ihrer Meinung nach getan werden, damit mehr Akteure im Gesundheitswesen Ihrem Beispiel folgen und das EPD in ihre Primärsysteme integrieren?

Die Integration des EPD ins Primärsystem erfordert einen erheblichen Entwicklungsaufwand und damit eine nicht unwesentliche finanzielle Investition, die in der Regel vom Softwarehersteller getragen wird. Je mehr Menschen das EPD Nutzen, desto grösser wird für diese Hersteller der Anreiz, diese Investition zu tätigen, um die steigende Nachfrage befriedigen. Die laufende Revision des Bundesgesetzes zum EPD, die namentlich auf eine zentrale technische Infrastruktur abzielt, könnte hier einen entscheidenden Beitrag leisten. 

Aus Sicht der Gesundheitsdienstleister sind gemäss unserer Einschätzung die folgenden Faktoren für eine breite Nutzung des EPD entscheidend:

  • Der Zugang und die Nutzung müssen einfach und effizient sein.
  • Der Import und Export von Dokumenten ins bzw. aus dem EPD muss möglichst automatisiert erfolgen.
  • Es braucht ein gut strukturiertes Ablagesystem und eine effiziente Suchfunktion, damit die relevanten Dokumente schnell gefunden werden können. 

Was erwarten Sie in Zukunft vom EPD, für Sie selbst, aber auch für andere Gesundheitsfachpersonen und Ihre Patienten?

Es ist wichtig zu zeigen, dass dieses Instrument zum Informationsaustausch von Gesundheitsfachpersonen viel leichter angenommen wird, wenn das EPD nahtlos über das eigene Primärsystem genutzt werden kann. Das ist unser vorrangiges Ziel bei Unisanté. Damit das EPD jedoch einen echten Mehrwert für die Patientenversorgung bringt, müssen die ausgetauschten Informationen für die verschiedenen Gesundheitsfachpersonen, die über das EPD interagieren, relevant (Anmerkung der Redaktion: Externer Link: siehe Merkblattvgl. hierzu den Abschnitt «Behandlungsrelevante Informationen auf e-health-suisse.ch) und leicht nutzbar sein. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass die im EPD hinterlegten Dokumente von den verschiedenen Gesundheitsfachpersonen einheitlich und kohärent beschrieben und kategorisiert werden, damit die Dokumentensuche effizient erfolgen kann.

Die Arbeit grosser Institutionen wie Unisanté trägt dazu bei, die Weiterentwicklung und Nutzung dieses Tools zu fördern und die Akzeptanz der Patientinnen und Patienten für dieses System zu erhöhen. Dieser Einsatz ist unerlässlich, damit das EPD zu einem reibungslosen, zuverlässigen und effizient einsetzbaren Instrument wird.

Fazit: Das EPD kann funktionieren – wenn es nicht als Fremdkörper betrachtet, sondern als Teil des klinischen Alltags gedacht und eingesetzt wird.

Sie finden detaillierte Infos auf der Website von eHealth Suisse:

Externer Link: Technische Anbindung an das EPD

Externer Link: Austauschformate

Externer Link: Semantische Standards

Externer Link: Faktenblatt: Behandlungsrelevante Informationen

Aktuelles zum EPD