Beratungsgespräch chronisch erkrankte Personen
Nachgefragt

«Für chronisch erkrankte Personen ist das EPD sehr nützlich.»

In einem Pilotprojekt richtet sich der Kanton Neuenburg mit dem elektronischen Patientendossier «Mon Dossier Santé» an Patientinnen und Patienten mit einer Diabetes-Erkrankung. Caroline Gallois-Viñas, Leiterin Abteilung eHealth beim Gesundheitsdienst des Kantons Neuenburg, berichtet von ihren ersten Erfahrungen damit.

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Frau Gallois-Viñas, seit dem 1. November 2021 probt der Kanton Neuenburg den Einsatz des elektronischen Patientendossiers im Rahmen eines Pilotprojekts. Können Sie bereits eine erste Bilanz ziehen?

Die ersten Erfahrungen und Rückmeldungen sind sehr positiv. Gerade für chronisch erkrankte Personen ist das elektronische Patientendossier sehr nützlich. Sie erhalten damit eine gute Übersicht über die eigenen Gesundheitsdaten und -werte. Auch loggen sich die Pilotprojekt-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer regelmässig ein und pflegen das Dossier. Das stimmt uns sehr optimistisch. Für eine abschliessende Bilanz ist es jedoch noch zu früh.

«Die chronisch erkrankten Patientinnen und Patienten werden in besonderem Masse vom elektronischen Patientendossier profitieren.»

Die Pilotgruppe Ihres Projekts besteht aus 100 Patientinnen und Patienten, die an Diabetes erkrankt sind. Wie kamen Sie ausgerechnet auf diese Zusammensetzung?

Der Kanton Neuenburg hat sich vertieft mit den Chancen und Herausforderungen des elektronischen Patientendossiers auseinandergesetzt. Wir wollten uns gut vorbereiten und den Einsatz mit einer überschaubaren Gruppe starten. Der Start mit an Diabetes erkrankten Personen hat sich aus verschiedenen Gründen aufgedrängt: Die chronisch erkrankten Patientinnen und Patienten werden in besonderem Masse vom elektronischen Patientendossier profitieren. Sie werden oft von unterschiedlichen Akteuren betreut. Dabei ist es natürlich wichtig, dass die Gesundheitsfachpersonen sich bei der Behandlung gegenseitig abstimmen. Genau dies macht das elektronische Patientendossier möglich.

Wie viele Gesundheitsfachpersonen beteiligen sich am Pilotprojekt?

Wir arbeiten zurzeit mit rund 50 Gesundheitseinrichtungen beziehungsweise -fachpersonen. Dazu gehören zwei Spitäler, vier Alters- und Pflegeheime, eine Spitex-Organisation, elf Apotheken, 23 Ärztinnen und Ärzte sowie zwei Pflegefachpersonen.

Wie haben Sie diese Gesundheitsfachpersonen für den Pilotversuch gewonnen?

Seit Beginn des Projekts stehen wir in regelmässigem Austausch mit den Gesundheitsdienstleistern des Kantons. Wir haben das Dossier gemeinsam mit ihnen ausgearbeitet – insbesondere über den Dachverband. Die Suche nach interessierten Fachkräften war relativ einfach, obwohl die aktuelle Krise im Gesundheitswesen dabei natürlich nicht gerade hilfreich war.

Haben sich diese Gesundheitsfachpersonen bereits «technisch richtig» an das elektronische Patientendossier angeschlossen oder reichte für den Pilotversuch eine provisorische Anbindung?

Eigentlich wollten wir hier die zukünftige Realität abbilden. Unser Ziel war, dass sich alle Beteiligten voll anbinden, das heisst eine «tiefe Integration» umsetzen. Bei einer solchen Integration wird das eigene IT-System direkt an die der EPD-Plattform angebunden. Das war dann aber nicht so schnell möglich wie ursprünglich vorgesehen. Die Anbindung und die Umstellung des eigenen IT-Systems sind für die Gesundheitsfachpersonen und -institutionen komplex. Bisher hat sich nur das Kantonsspital Neuenburg (Réseau hospitalier neuchâtelois RHNe) «tief» angeschlossen. Einige weitere Institutionen stehen aber nun kurz vor Abschluss einer tiefen Systemanbindung. Die restlichen Teilnehmenden greifen weiterhin lediglich über das Webportal «Mon Dossier Santé» auf das elektronische Patientendossier zu. So können wir beide Ansätze miteinander vergleichen und auswerten.

Die technische Anbindung erfordert von den Gesundheitsfachpersonen also einen gewissen Aufwand. Wie ist es danach? Bleibt der Aufwand für die Arbeit mit dem elektronischen Patientendossier hoch?

Im Rahmen des Pilotprojekts bleibt der mit dem «Mon Dossier Santé» verbundene Arbeitsaufwand begrenzt. Das liegt auch daran, dass im Rahmen des Pilotprojekts jede Gesundheitsfachperson nur fünf Dossiers betreut. Sobald die IT-Systeme der Leistungserbringer an das elektronische Patientendossier angeschlossen sind, wird es einfacher und schneller, dass elektronische Patientendossier zu nutzen.

«Die Gesundheitsfachpersonen haben uns sehr gut unterstützt und sie machen gut mit.»

Wie reagieren die Gesundheitsfachpersonen auf das Pilotprojekt?

Die Gesundheitsfachpersonen stehen hinter dem Projekt und machen sehr gut mit. Und dies, obwohl sie in den vergangenen Monaten mit der Corona-Pandemie noch ganz andere Herausforderungen hatten als unseren Pilotversuch. Ihnen möchten wir allen danken.

Können die Gesundheitsfachpersonen die im Rahmen des Projekts angefallenen Aufwendungen in Rechnung stellen?

Nein, um die Gesundheitsfachpersonen nicht zu überlasten, haben wir die Anzahl der Dossiers wie erwähnt begrenzt. Für ihre Unterstützung zahlen wir den Gesundheitsfachpersonen eine symbolische Pauschale von 20 Franken pro Patient.

Sprechen wir noch etwas von den Patientinnen und Patienten. Wie haben Sie diese überhaupt erreicht?

Über die Hausärztinnen und Hausärzte. Zudem führen wir zweimal im Monat Informationsveranstaltungen durch. Interessierte erhalten Unterstützung bei der Eröffnung des Dossiers.

Haben Sie auch hier schon die realen Zustände durchgespielt? Brauchten die Patientinnen und Patienten bereits eine elektronische Identität?

Ja genau. Bei der Anmeldung haben wir den Patientinnen und Patienten auch eine elektronische Identität eingerichtet. Das kostet ein wenig Zeit und ist nicht ganz einfach. Aber mit etwas Unterstützung hat es bei den Versuchspersonen dann doch gut geklappt.

Welche Rückmeldungen erhalten Sie von den Patientinnen und Patienten?

Die Rückmeldungen sind durchwegs positiv. Für Diabeteserkrankte ist es wichtig, auf ihre Gesundheitsdaten zurückgreifen zu können. Das «Mon Dossier Santé» entspricht ihren Bedürfnissen. Mit dem neuen Werkzeug sind die persönlichen Gesundheitsdaten zentral, leicht zugänglich und sicher abgelegt.

Für die ganz grosse Auswertung ist es noch zu früh, konnten sie dennoch bereits erste Erkenntnisse sammeln?

Für eine umfassende Analyse ist es tatsächlich noch zu früh. Wir konnten aber beobachten, dass die Registrierung im elektronischen Patientendossier sowohl für die Patientinnen und Patienten als auch für die Gesundheitsfachpersonen etwas anstrengend sein kann. Hier braucht es zwingend Begleitungsangebote. Die Handhabung des Dossiers ist dann aber einfach und wird geschätzt. Dieses Feedback ist doch schon mal sehr vielversprechend.

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